Fortsetzungsroman „Schützenfest“ 1/15

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Zwei Wochen lang täglich um 12 Uhr….

Ick hab da jehört, det hier irjendwo unser Bär tanzen solle, – wo iss’n det?

Berlin ist zwar Bundeshauptstadt, Weltstadt mit Flair und was das kulturelle Programm angeht, unübertroffen, – aber bezüglich Schützenfest tiefste Provinz.

Das Ehepaar Kaiser aus Berlin hat davon gehört, dass beim Schützenfest in Hollingen sprichwörtlich „der Bär ab geht“, – ist am zweiten Wochenende im Juli zu Gast in Emsdetten.

Da woll’n mer ma kieken, wat hier so abjeht wa.“ -wundern sie sich erstmal bei der Ankunft im kleinen beschaulichen Emsdetten über den Straßenschmuck.

Wieso sind n det verschiedene Farben?“ ist die Frage, als wir vom blau-weißen Flaggenmeer der Teupen-Schützengesellschaft in das rot-weiß bewimpelte Gebiet der Hagelisten wechseln. – schon zwei Minuten später kündigen grün-rote Fahnen die neue Heimat der Kaisers für die nächsten drei Tage an: das „Hoheitsgebiet“ der Hollinger Schützengesellschaft.

Rainer kiek mal – so schnell sind wer noch nie von’n Ostteil in’n Westen rüber jemacht.“ Die überspitzte Bemerkung von Marianne Kaiser hat nicht nur einen Hauch des typischen Berliner Humors in Bezug auf „Vergangenheitsbewältigung“, sie ist vielmehr eine Anspielung auf die Überschaubarkeit Emsdettens, – eine Fahrt durch Berlin entspricht in etwa der Strecke vom nördlichsten Punkt in Rheine bis an den südlichsten Zipfel Münsters, wobei das Verkehrsaufkommen auf der Hauptverkehrsachse, der B481 (in Emsdetten der „Grevener Damm“) in Berlin fast einer verkehrsberuhigten Zone gleichkommt. Hat Berlin seinen Ku-Damm, Düsseldorf die „Kö“(nigsalle), steht Emsdetten dem mit seiner „Ki“  in nichts nach. Die Kirchstraße, einst Flaniermeile für die Jugend und Junggebliebenen, seit jeher Einkaufsstraße und neben dem „Brink“ auf der gegenüberliegenden Seite der Pankratiuskirche, Herzstück der inzwischen fast 40.000 Einwohner zählenden Wannenmacherstadt, werden die „Spree-Athener“ auch noch kennenlernen.

Der Berliner Dialekt, der vor der roten Ampel aus dem offenen Wagen schallt, vereint sofort die Blicke der umstehenden Radfahrer auf sich.

Berliner kennt man hier im Allgemeinen nur als mit Marmelade gefülltes Gebäck, das man sich beim samstäglichen Bummel über den Wochenmarkt mal gönnt.“ – versuche ich den Noch-Schützenfest-Fremden die Blicke zu erklären. Aber auch das bleibt nicht unkommentiert:

Det würde ja bedeuten, det der Kennedy damals jesaacht hat: Ick bin een Pfannekuchen!“ Manchmal kann man Berliner Schnauze einfach nicht wechseln.

Nachbarschaften hängen gerade vereint ihre Hausfahnen aus, Leute vom Vorstand sind noch damit beschäftigt, verschiedene Transparente mit der Aufschrift „SCHÜTZENFEST – Bitte langsam fahren!“ anzubringen, – genauso gut könnte man eine Schaufel Sand in die Wüste tragen.

Kiek ma, da hängt eene anders herum, – oder is det Zufall, det sons immer Jrüne vorne hängt?

Die hängt tatsächlich falsch herum – aber lass mal, hier ziehen wir heute Abend noch vorbei, das riecht nach Hexenkasse…“ Nicht so recht wissend, was mit Hexenkasse gemeint sein könnte, wird die Antwort erst einmal so hingenommen.

Spätestens seit letzten Samstag ist hier alles in Schützenfestlaune und auch nur noch auf das eine fixiert.

Wat war d’n letzten Samstach?“ An den Berliner Dialekt muss man sich tatsächlich erst gewöhnen, – aber hat was, – irgendwie..

Ihr mit euerm Plattdeutsch für Schützenfestprovinzler…“ versuche diesmal ich einen Lacher zu landen, – vergeblich, die Kaisers aus Berlin haben bereits ihre Kamera gezuckt und diese rattert unaufhörlich.

Det jute an diesen Dijitalkameras is ja, man kann allet wieder löschen, wenn se vulle is.

Bloß darfste nich wieder verjessen, det du vorher überspielst bevor de löscht, wie beim letzten Male, – 120 Aufnahmen, allet futsch.

Ick kann mir nich daran erinnern, dich danach jefracht zu ha’m.

morgen um 12 geht’s weiter….

 

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