Fortsetzungsroman „Schützenfest“ 5/14

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„P601“ – oder doch nur „Rennpappe“?
…und Queen Mom höchstpersönlich

…aber nicht nur beim Fest, direkt nach Deinem gezielten Schuss, auch während des gesamten Jahres warst Du ein würdiger König, – dieses Jahr ist nun vorüber, in wenigen Stunden wirst du die Kette, äußeres Würdenzeichen eines Schützenkönigs, an Deinen Nachfolger übergeben. Damit Du aber dennoch auch in kommenden Jahren an dieses, Dein Königsjahr, erinnert und auch für jeden als ehemaliger Jungmännerkönig der Hollinger Schützengesellschaft erkennbar bist, überreiche ich Dir hiermit die Königsplakette. Trage sie von nun an bei allen offiziellen Anlässen unserer Gesellschaft.“ Vorstand, Chargierte, Fähnriche, Könige und Jubelkönige sind nun Gäste im Hause des Königs. Alle übrigen werden draußen bewirtet, ob der anhaltenden Hitze sind die gekühlten Getränke sehr begehrt.

Boah, – kiek ma, n P601 !!! So een’n bin ick auch ma jefahr’n. Det et det noch jibt.“ Unter Schützenbrüdern gibt es keine Sprachbarrieren.

So ne hochtechnische Bezeichnung für nen Trabbi – Respekt! Ich dachte eigentlich immer, die Dinger heißen Rennpappe.

Aber det is eener in Farbe, blau war schon wat exklusivet, – ick hatte bloß een’n in kollektiv-grau. Wem jehört n der, weeß dat eener? Is det eener von uns?

Aower wisse doch is dat een’n von uns: ‚Wir sind ein Volk!‘ dat häbb i doch daomaols roopen.

Wir sind das Volk! – uns’re Rufe waren immer nur: Wir sind das Volk! Ne Wiedervereinijung wie se denn passiert is, damit hat ja am Anfang jar niemand jerechnet, wa, – warum sollten wir denne ‚Wir sind ein Volk!‘ rufen? Det jibt ja nich wirklich Sinn, – wir wollten bloß sajen – Wir sind das Volk! Und inner demokratischen Republik wollten mir die Demokratie ook leben. Ick bin ja selbst dabei jewesen. – Übrijens – kennt Ihr den: Treffen sich een Ossi und een Wessi, – sacht der Wessi janz hochnäsig und herunnerkiekend: Wir sind ein Volk! und lacht sich scheckig. – Sacht der Ossi: ‚Wir ook!‚“

Beim 25-jährigen Junggesellenjubilar gehören die Kaisers dann mit zu den Offiziellen, die ins Haus gehen und anschließend mit den anderen Königen, der Fahne usw. unter dem Präsentiermarsch des Blasorchesters wieder ausgeholt werden. Das Jubelpaar steht am Eingang und nimmt die Glückwünsche entgegen. Nachbarn und Freunde helfen dabei, die gut 200 Schützenbrüder mit Getränken zu versorgen. Maximal 20 Minuten darf der Aufenthalt hier dauern, gilt es doch noch einen weiteren Jubelkönig auszuholen und…. ja, dann muss da ja auch noch der Nachfolger dessen ermittelt werden, der eben seine Plakette entgegengenommen hat.

Im Wohnzimmer des Jubelpaares wird es eng, die Fahne steht in einer Ecke ans Bücherregal gelehnt. Die Frau des Hauses bangt etwas um das gute Porzellan ihrer Großmutter, welches zwar nicht mehr benutzt wird, aber optisch ein Schmuckstück ist, der Wert dürfte angesichts des Alters auch nicht unbedeutend sein. Die buschigen Federhüte der Reiterei und Fähnriche liegen auf dem Tisch.

Mach mal Platz!“ kommt jemand mit einem Tablett, doch bevor er es abstellen kann, hat sich schon jeder bedient.

Wochte, renn nich so gau wier wech„, wird ihm schon das erste leere Glas wieder entgegengestreckt.

Könnt ick mal n Glas Wasser bekommen?“ Rainer hat die Kopfschmerzen von heute morgen noch nicht vergessen. Marianne hat sich ein Bier vom Tablett genommen.

Mensch Rainer, det is hier Schützenfest und kin Kinnerjeburtstach!

Zu den Königen die Augen reechts!“ noch hält die Stimme des Majors den Anforderungen stand. Der Jubelkönig voran, weitere Könige, Fähnriche und Vorstand folgend, verlassen sie im Gleichschritt das Haus. Rainer schaut etwas verwundert drein, als seine Frau prompt Schritt hält und dabei noch – jeden Anflug von Konzentration vermissend – fröhlich in die Menge winkt, als sei sie Queen Mom persönlich, verschwendet jedoch keinen weiteren Gedanken sondern genießt seinen eigenen Auftritt. Wegen des langen Weges von der Haustür bis zur Straße muss das Orchester ein zweites Mal den Auftakt spielen und erst nach dem Trio senkt der Dirigent den Taktstock. Aufgrund der anhaltenden Hitze sind solche Überlängen insbesondere für die Bläser nicht immer ein Kinderspiel.

Hollinger Schützengesellschaft still gestanden, – rechts uuummm! Im Gleichschritt, gleich linksschwenk Marsch!“ Marianne hilft noch etwas beim Aufräumen als der abziehende Tross immer leiser wird. Kurze Zeit später hört sie aus der Ferne das Einsetzen aller Musikgruppen zum gemeinsamen Spiel, soll heißen, dat Gelaog ist beim nächsten Jubelkönig angekommen. Die Laudatio des Vorsitzenden wird auch hier kurzweilig und informativ sein, – Ehre wem Ehre gebührt.

 

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