„… im Grunde wollten sie gar nicht …“

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Was es mit „Preußens Gloria“ auf sich hat, dazu ein Ausschnitt aus dem damaligen Festbuch zum 75-jährigen Jubiläum der Vereinigten Schützengesellschaften:

Es ist der zweite Juli-Sonntag 1946, – es ist das erste Fest der Emsdettener Schützengesellschaften seit 1939. Erinnern wir uns an die Schützenfeste der zwanziger Jahre: Emsdetten gleicht einem Flaggenmeer; – die Feste, Aufmärsche, Stadtwerdung in den dreißiger Jahre, bald ebenso viele Fahnen wie Einwohner. 1946 ist das etwas anders, wer noch Fahnenstoff besitzt, gilt als reich, man brauchte Kleidung, hatte kein Geld, nichts zu Essen, der Schwarzmarkt blühte, Tauschobjekte waren immer gefragt, – Ironie des Schicksals: Fahnen waren in dieser Zeit wegen des militärischen Charakters eh verboten.

Sämtliche Emsdettener Schützengesellschaften hatten sich um 10 Uhr an der St. Pankratius-Kirche getroffen. Kranzniederlegung am Ehrenmal und Heldengedenken sind noch verboten und so ziehen die Schüttenbeerskiärls in ihre Festlokale, um dort die sogenannten Stein- oder Knubbenkönige zu ermitteln. Das Schießen mit Feuerwaffen und auch mit der Armbrust war in diesem Jahr noch verboten, so dass der König durch Steinwerfen ermittelt wurde. Am Nachmittag um 15 Uhr, jedes Gelaog hatte inzwischen seine Könige ermittelt, trafen sie sich wieder auf dem Wilhelmschulplatz. In einem großen Festumzug über die Wilhelmstraße, Rheiner Straße, Kirchstraße, Sandufer, Frauenstraße, Brink, Bahnhofstraße, Emsstraße, Kirchstraße, Karlstraße und Wilhelmstraße zurück zum Schulplatz, stellten sie ihre Könige der Bevölkerung vor, wenngleich die Majestäten durch ihr Äußeres nicht als solche erkennbar waren. Irgendwie hatte man nun spitz gekriegt, dass die „Tommis“ (englisches Militär) diesem Umzug in zivil beiwohnten, um zu kontrolliern, ob man auch die Auflagen einhielte. Eigentlich hatte man ja nichts zu befürchten, – eingentlich… war da doch jetzt wieder dieses unbehagliche Gefühl in der Magengegend. Am „Hotel zur Post“ sollen sie gesehen (vermutlich nicht verstanden) worden sein. Der Zug „spazierte“ über den Marktplatz, – man traute sich nicht einmal mehr, den Gleichschritt zu halten, und so sah die „Stolperei“ aus, als würde man nur rein zufällig, … im Grunde wollte man gar nicht … „Schiet wat drup! De Nazis häbbt mi nich kriegen, dann sallt de mi wull auk nich inbuchten!

Franz Stolze, Dirigent der Feuerwehrkapelle (Anm. d. Red.: so war die Bezeichnung damals tatsächlich noch), hob den Stab zu „Preußens Gloria“. Noch nie zuvor soll dieses Stück mit einer solchen Inbrunst geschmettert worden sein als gerade an diesem Tag, wenngleich niemandem dabei wohl in seiner Haut war.

Und so sollte es dann auch kommen, – der Umzug hatte gerade wieder den Hof der Wilhemschule erreicht, da wurde der Kapellmeister durch einen britischen Adjutanten ins „Hotel zur Post“ beordert. „Dä, nu is’t passeert!“ In gebrochenem Deutsch kam die Frage von dem wohl Ranghöchsten: „Wie Sie hier eben sind vorbeigezogen, was haben Sie da gespielt?“ Trotz der Courage noch vor wenigen Minuten lag das Herz nun einige Etagen tiefer: „Och, das war nur ein ganz kleiner Marsch, – gar nicht so wichtig…“ Schon fast ungeduldig und ein wenig barsch: „Wie der Marsch heißen, ick will wissen!“ Franz Stolze sah sich schon innerlich von Emsdetten verabschieden und gab nach Luft ringend Auskunft: „Preußens Gloria.“ „Das war wunderbar, go on, holen Sie Ihre Männer und feiern Sie mit uns!

In dieser Stunde erlebte Emsdettens Schützenfest eine Wiedergeburt. Den Königen wurden die Ketten umgehängt und die Engländer sollten noch bereuen, dass sie nicht auch für den Montag eine Genehmigung erteilt hatten. Die ganze Nacht hindurch wurde gefeiert, – Dettsk Schüttenbeer muss man halt erlebt haben…

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