Haushaltsrede 2023 – „Bündnis 90/Die Grünen“

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Josef Berkemeyer hielt die Haushaltsrede für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Berkemeyer ist Fraktionsvorsitzender und in folgenden Ausschüssen tätig:
Ausschuss für Klima, Umwelt und Mobilität (AKUM)
Ausschuss für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Wohnen (ASWW)
Haupt-, Finanz- und Steuerungsausschuss (HFSA)
Rechnungsprüfungsausschuss
Rat

Prolog:
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Fraktionsvorsitzender Josef Berkemeyer die Etat-Rede gehalten.

Sonntagmorgen, Familienfrühstück.  Die junge Familie mit dem Neugeborenen ist zu Besuch, der Frühstückstisch ist reichlich gedeckt. Die gefüllten Kaffeetassen verströmen einen aromatischen Duft, die Stimmung ist gut.

Da formuliert der Sohn in Richtung seines Vaters folgenden Satz, der die gute Stimmung jäh unterbricht: „Papa, ihr habt es verbockt!“
Einige Sekunden Stille, dann die Nachfrage des Papas: „Was meinst Du – Ihr habt es verbockt?“
„Ja – das weißt Du ganz gut! Der Klimawandel und das Artensterben, alles geht kaputt! Und ihr seid schuld!“

Das Frühstück verläuft nicht mehr harmonisch, es wird ausgiebig diskutiert. Papa´s Argument, „wir wussten es ja nicht eher“ wischt der Sohn zur Seite.
„Aber Papa, dieses Buch habe ich aus deinem Bücherregal. -Die Grenzen des Wachstums-   Es ist von  1972 –  das Buch ist schon 50 Jahre alt.         Da steht doch schon vieles drin. Hast Du es denn nicht gelesen? Ist Dir das seitdem alles egal gewesen?“

Alles dreht sich nun um die Frage:
Wer trägt hier eine Schuld? Wer ist verantwortlich? Wer haftet dafür?
Jeder einzelne von uns?
Oder keiner? Sind es etwa die Chinesen und die Inder?
Oder doch, wie so oft, nur die Politiker?
Wer hat haftet dafür? Wer ist verantwortlich?
Fühlt sich hier jemand schuldig? Fühlt sich hier jemand verantwortlich?

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Ratskollegen und Kolleginnen,
sehr geschätzte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Verwaltung,
liebe Vertreter der Presse, liebe Zuhörer,

auch ich habe mich in den letzten Wochen häufig gefragt, wer ist schuld?
Wer trägt die Verantwortung? Da kann man lange intensiv diskutieren!

Ich möchte sagen: Wir – die Grüne Fraktion Emsdetten – übernehmen Verantwortung.

In einer unruhigen Zeit, in denen der Klimaschutz viel zu langsam vorankommt,
das Pariser 1,5-Grad-Ziel wohl deutlich verfehlt wird, möchten wir nicht nur als Mahner auftreten.

Nicht nur aufmerksam machen, auf die 27.000 Wissenschaftler, die eine Stellungnahme unterzeichneten, dass die derzeitigen Maßnahmen gegen die Erd-Erwärmung „zutiefst unzureichend“ sind.

Nicht nur aufmerksam machen, auf die weltweit 1,8 Millionen Jugendliche, die für den Erhalt der Lebensgrundlagen aller demonstrieren.

Nicht nur aufmerksam machen, auf das Bundesverfassungsgericht, das feststellt, dass die vom Gesetzgeber auferlegten Emissionsreduktionen mit unseren Grundrechten unvereinbar sind und der Gesetzgeber nachbessern muss!

Auf Bundes-Ebene kommt die Ampelregierung -FDP geprägt- zur Erkenntnis: „Tempo 130 rettet das Klima auch nicht.“

Frei nach der Devise: „Wir forschen, statt zu verbieten.“

Verstehen Sie mich hier nicht falsch meine Damen und Herren, keiner hat Spaß am Verbieten

Aber ist es nicht auch deutlich zu naiv, als verantwortungsbewusste Menschen, ausschließlich auf die -hoffentlich erfolgreichen- Forschungen zu bauen?

Wir als Grüne Fraktion zeigen mit der Zustimmung zum Etat-Entwurf und in den vielen kleinen Einzel-Entscheidungen, dass wir sozial, kostenbewusst und ökonomisch sinnvoll agieren.

Schauen wir auf die Rahmendaten unseres Etats:

Wir blicken auf ein Gesamtvolumen von über 126 Mio. € bei den Aufwendungen.
Mit knapp 22 Mio. € ist dieser defizitär. Unter der gesetzlich vorgeschriebenen Isolierung von Corona sind es immer noch 14,5 Mio. €. In diesem Jahr kann das Defizit noch aus der Ausgleichsrücklage gedeckt werden.

Fast die Hälfte unserer Ausgaben sind gesetzlich vorgeschriebene Transferleistungen für Soziales, Schulen und Kindergärten. 24 % sind Personal- und Versorgungsaufwand. Dazu kommen noch Sach- und Dienstleistungen von ca. 20%.

Über 3 Mio. € gehen in den Ausbau und in die Sanierung der vielen Schulgebäude, weitere 4 Mio. € in den Ausbau der Wilhelmschule.

Der Schulentwicklungsplan zeigt uns für die kommenden Jahre steigende Schülerzahlen. Diese Gelder sind hier gut angelegt!

In diesem und in den kommenden Jahren werden wir in Emsdetten viele Millionen € investieren. Zum Teil durch Fördergelder, aber auch durch Kredite.

Wir werden gezwungen sein, den haushaltsrechtlich maximal zulässigen Betrag neuer Kredite zu veranschlagen.

Das heißt, der momentane Schuldenstand von ca. 47 Mio. € wird bis zum Jahr 2026 auf eine Rekordhöhe von über 122 Mio. € anwachsen.

Der Schuldendienst mit Zins und Tilgung wird den Emsdettener Haushalt in Zukunft deutlich stärker belasten.

Es bleibt die Frage: Wohin wird das Geld investiert?

  • Baubetriebshof
  • Ausbau Wilhelmschule
  • Update Stroetmann’s Fabrik

Zusammen fast 25 Mio.€.

  • der Ausbau Breitbandnetz
  • eine weitere, aber notwendige Kita
  • die technische Sanierung der Ems-Halle

Zusammen weitere 10 Mio. € Die Liste lässt sich lange fortsetzen…

Überall sehen wir Bedarfe; investieren in die Zukunft! Und wenn wir in die Zukunft investieren, braucht das die bestmögliche Bearbeitung durch unsere Verwaltung.

Die logische Folge ist daher auch die Zustimmung unserer Fraktion zum vorgelegten Stellenplan. – Dabei regt sich Widerstand in der Opposition.

Ich habe es erwähnt, unser Etat enthält ca. 24%, genauer gesagt 23,4 %, Personalkosten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ein Wert, den Sie in den letzten 10 Jahren ihrer alleinigen politischen Regentschaft selbst stets verantwortet haben.

Und in diesem Jahr?
Der Etatentwurf liegt Ihnen seit mehr als 4 Wochen zur Beratung vor. Aber erst vor 3 Tagen, am Montag dieser Woche und am finalen Tag der Haushaltsberatung im HFS, stellen Sie den Antrag, die Stellen des Energiemanagers, die Stelle für das integrierte Mobilitätskonzept und die Stelle in der Freiflächenplanung ersatzlos zu streichen.

Sie wollen die Stellen streichen, wo die Kommune sich aktiv für die Bewahrung der Umwelt einbringen kann und auch einbringen muss!

Sie wollen die Stellen streichen, wo die Kommune die Parameter für das Erreichen des Pariser 1,5 Grad Zieles hier in Emsdetten stellen wird!

Sie wollen die Stellen streichen, wo in der Fläche Biodiversität und Artenvielfalt geschützt und ausgebaut werden muss!

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Sie zeigen mit diesem Antrag deutlich, was Sie von der ökologischen Verantwortung unserer Stadt halten.

Neben einer Politik des „weg Duckens“ aus der Verantwortung, scheint sich auch der inhaltliche Schlendrian bei der CDU eingeschlichen haben.

Bestes Beispiel ist wohl der Umbau und die Sanierung des Sandufers.

Laut der Beschlussvorlage 229-2022 und dem Teilfinanzplan 2023, sind für die Maßnahmen am Sandufer aktualisiert insgesamt 2,3 Mio. € veranschlagt.

  • Die Treppenanlage der Verbundsparkasse wird durch den Anlieger finanziert und ist mit 300.000 € in Abzug zu bringen.
  • Weiterhin gibt es eine 60 %ige Förderung, so dass für die Stadt ein Eigenanteil von 800.000 € verbleibt.

Dieser Maßnahme haben Sie im Übrigen schon 2016 im Rahmen des integrierten Handlungskonzeptes Innenstadt mit initiiert und auch zugestimmt.

Und heute? Bis heute ist von Ihnen kein politischer Antrag dazu eingegangen, diese Maßnahmen nicht durchzuführen. Und was machen Sie, anstatt konstruktiv mitzuarbeiten, lieber Herr Hellwig?

Als Vertreter der CDU hausieren Sie in den sozialen Medien bei Facebook und Instagram, stellen sich dort als „Retter“ des kommunalen Etats dar.

„Finanztechnischer Wahnsinn“ werfen Sie uns vor.
Und dabei verkünden Sie ungeniert falsche Zahlen, indem Sie für die Streichung des Ausbaus Sandufer weit über 2 Mio. € einsparen wollen.

Meine Damen und Herren, warum das Geld in den Schulen gut angelegt ist? Damit solche Milchmädchen-Rechnungen auch die CDU in Zukunft richtig hinbekommt!

Was wir als Stadt sinnvoll einsparen können, ist ihr bei Facebook und Instagram vorgeschlagener Ausbau der Wege am Grünring, Westring und der Droste-Hülshoff-Allee. Alternativ zu unserem Vorschlag „Fahrradstraße“.

Hier sprechen Sie sich für die Ertüchtigung des Mittelstreifens mit getrennten Geh- und Fußwegen aus. Ein solcher Ausbau geht mit einer deutlichen Befestigung und Versiegelung einher. Man braucht kein Straßenbau- oder Gärtnermeister zu sein, um zu erkennen, dass der Bereich auf ganzer Länge von mehr als 2,5 km intensiv von Baumwurzeln durchzogen ist.

Dieser Ausbau ist nur mit vielen hunderttausenden Euro möglich. Das ist ein finanzieller und ökologischer Wahnsinn!

Einfache Ausschilderungen und Straßenmarkierungen für die Fahrräder sind mit einem Bruchteil der Kosten für eine Fahrradstraße zu bewerkstelligen.

Und wo wir gerade beim Sparen und Haushalten sind, dem Sie sich verschrieben haben wollen. Ja, das haben Sie. Gespart hat die CDU!

Leider aber nur bei ihren Antragstellungen zum Etat. Nur ein einziger Antrag zum Etat finden wir von Ihnen im Ratsinformationssystem durch die CDU. Und der ist erst am Montag eingegangen.

Stolz dagegen bin ich auf meine Fraktion!

Aus unseren intensiven Gesprächen zu den Etatberatungen stehen konkret heute 12 Anträge mit im Etat, die schon in den Fachausschüssen überwiegend positiv beraten wurden und denen wir heute hier im Rat zustimmen werden.

Wir stehen für die Rekommunalisierung der Gebäudereinigung. In den vielen Diskussionen sind die Argumente hinreichend ausgetauscht worden.

Mit ihren, für uns teils sehr einseitigen Aussagen, hat uns die Verwaltung nicht überzeugen können. Es gibt keine nachvollziehbare Erklärung für die prognostizierte Kostensteigerung.

Wir glauben fest daran, dass sich die Mehrkosten in einem für Emsdetten finanzierbaren Rahmen bewegen und vollständig den zukünftigen Mitarbeiter/-innen der Reinigung zugutekommen werden.

Wenn die öffentliche Verwaltung, wie in der Vorlage dargestellt, klar definierte Aufgabenbereiche mit eigenen Mitarbeitern angeblich nicht kostengünstig gestalten kann, dann ist mir Angst und Bange um die Wirtschaftlichkeit unseres Bauhofes. Warum funktioniert das hier?

Wir haben doch in den vergangenen Jahren den Bauhof sukzessive im Leistungsspektrum ausgebaut, investieren jetzt viele Millionen in das Gebäude und die Infrastruktur.

Aus Sicht der grünen Ratsfraktion, der SPD und der Linken hat die öffentliche Verwaltung eine Vorbildfunktion und eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Diese kann man von einem gewinnorientierten Unternehmen so nicht erwarten. Diese Verantwortung gilt es nun zu übernehmen. Schritt für Schritt, in Abstimmung mit der Politik.

In der letzten Sitzung des HFS wurde auch der Antrag der Galerie Münsterland beraten. Von meinen Kollegen Christian Meyer wurde ausgeführt, das eine öffentlich bezahlte Halbtagesstelle bei einem e.V. Begehrlichkeiten anderer Vereine wecken würde. Das ist dann leider auch geschehen. Nicht berücksichtigt wurde aber, dass die Stadt als Trägerverein der Galerie seit 1992 den Personaleinsatz finanziell unterstützt hat.

Erst seit 2016 hat sich Ingrid Raschke-Stuwe ehrenamtlich engagiert und die Arbeit unentgeltlich durchgeführt. Mit dem Rücktritt von Frau Raschke-Stuwe und den abgelehnten Förderantrag steht die Galerie vor dem Aus!

Wollen Sie das wirklich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der UWE und der CDU? Ein Leuchtturmprojekt der Kunstszene einfach schließen? Ein wichtiger Baustein in unserer Gesamtkonzeption Stroetmann’s Fabrik, Galerie, EMS-Halle, Hof Deitmar.

Hier bitte ich Sie inständig, mit uns eine Lösung zu finden, damit auch zukünftig das hohe Niveau der Kunst in Emsdetten behalten bleibt.

Trotz Corona und dem Ukraine-Krieg sehen wir die positiven Entwicklungen in Emsdetten, die wir von uns Grünen gerne mitgestalten und auch mitverantworten.

Ob Sport-Campus oder EMS-Halle, ob Winterbeleuchtung oder Mobilitätskonzept, in allen Aktivitäten suchen wir die sinnvollste Lösung.

Dazu gehört für uns auch die ständige Suche nach neuen Fördermöglichkeit.

Und das muss von der Verwaltung auch zu leisten sein.
Darum benötigen wir die geplante Ausweitung im Stellenplan.

Zusammengefasst: Unsere Fraktion wird heute dem Haushalt 2023 überzeugt zustimmen.

Werner Mitsch hat einmal gesagt: Alle wollen zurück zur Natur. Aber keiner zu Fuß.
Das stimmt mich nachdenklich. Da halte ich es lieber mit dem afrikanischen Sprichwort:
Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern!

Diese kleinen Dinge können wir in Emsdetten tun!

Am Ende meiner Rede möchte ich dem Bürgermeister und der Verwaltung ein herzliches Dankeschön sagen. Sie machen  eine gute Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Danke schön!

Ihnen allen wünsche ich frohe Feiertage und ein gesundes, gutes Jahr 2023!
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

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