Emsdettens letzte Backstube

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(Foto: Schwegmann)

Wenn Tim Völker morgens um drei Uhr seine Backstube an der Elbersstraße betritt, dann liegt Emsdetten noch in den tiefsten Träumen, denkt eher an noch-einmal-umdrehen, als an Aufstehen….

Pünktlich um fünf Uhr stehen dann die Fahrer auf der Matte sind bereit zum Ausliefern. Erster Anlaufpunkt ist die Filiale an der Taubenstraße, es folgt die Zweigstelle am Grevener Damm, Seniorenheime, Hotels, Firmenkantinen werden angefahren und die täglich bestellte Ration wird frisch angeliefert.

Völker ist die letzte Backstube in Emsdetten, in der noch vor Ort von Hand gebacken wird. „Alle anderen existieren nicht mehr oder lassen sich beliefern.“, trauert der Bäckermeister, der in diesem Jahr stolz seinen silbernen Meisterbrief entgegennehmen konnte, der guten alten Zeit ein wenig nach. „In den 1970-er Jahren hatten wir in Emsdetten noch 38 Backstuben.“ Tim Völker hat noch bei Claus Wessels gelernt. Dann zählt er im Gespräch mit AllesDetten die Backstuben auf, die hier noch selbst produzierten, als er 2000 erfolgreich die Prüfung zum Bäckermeister abgelegt hat: Schülter, Wessels, Becker, Mersmann, Fellmann, Reinermann, Renkert, Quibeldey, Osterbrink.

Um kurz nach drei Uhr wird der erste „Sticken“ in den Ofen geschoben, ein Wagen mit 600 Brötchen, 17 Minuten bei 180°C. Um sechs Uhr ist dann auch die Auslage in der Hauptstelle im Elefanten-Cafe bestückt. 1.700 bis 2.000 kg Mehl werden jede Woche verbacken.

Während die Teiglinge für die „normalen“ Brötchen maschinell geformt werden, dann für 24 Stunden in die Reifekammer geschoben werden, werden die Eigenkreationen wie Schwedenbrötchen, Wikinger, Mixies, Tiger oder Römer, Fitneß-Brötchen… allesamt von Hand in Form gebracht. „Jeder Bäcker hat da seine eigenen Rezepturen.“, verrät uns Völker, der die Zusammensetzung der 38 verschiedenen Brötchensorten, die er in dem Umfang jedoch nur am Wochenende im Angebot hat, selbst entwickelt und ausprobiert hat.

Die Brötchen warten in einem der beiden Öfen, die im Dauerbetrieb arbeiten, darauf, dass sie goldbraun und knusprig werden, als Elena Geist-Diestel die vielen verschiedenen Brote vorbereitet. Genau abgewogene Zutaten werden in der Knetmaschine vermengt, anschließend von Hand in Form gebracht. Elena Geist-Diestel hat 2009 bei Völker die Bäckerinnenlehre begonnen, nach der Lehre wurde sie übernommen und ist seitdem als Gesellin hier beschäftigt.

Parallel werden heute nebenbei einige Partybrötchen auf besondere Bestellung für einen Partyservice gefertigt. Jetzt zu Weihnachten kommen Stutenkerle für die Mitarbeiter von zwei Emsdettener Großunternehmen dazu. Fast 1.000 Christstollen sind bundesweit unter anderem von einer bekannten Modehauskette geordert worden.

„Hört sich doch alles erstmal ganz gut an!“, stellen wir fest. „Die Energiekosten haben sich verdoppelt!“ bremst Tim Völker die aufkeimende Euphorie. „Rohstoffpreise sind gestiegen und gutes Personal für den Service zu bekommen, insbesondere auch am Wochenende, wird immer schwieriger.“, Dennoch beschäftigt Tim Volker in seiner Backstube, im Café und in den drei Verkaufstellen 30 Mitarbeitende.

(Foto: Schwegmann)

Die Preiserhöhungen lassen sich nicht immer 1:1 weitergeben, weil auch beim Verbraucher das Budget enger geworden ist. „Bodenständige Handarbeit hat halt ihren Preis!“ kann zumindest bei den Kosten nicht mit der industriellen Fertigung mithalten. „Aber hier wird noch mit Liebe gebacken!“, erzählt Elena Geist-Diestel , die seit mittlerweile 16 Jahren in diesem Betrieb arbeitet. Elena weiß wovon sie spricht.

Als AllesDetten die Backstube dann wieder verlässt, ist auch der frühmorgendliche Verkauf von Brötchen und Snacks für die Frühstückspausen in den Emsdettener Betrieben und Schulen schon fast gelaufen, mittlerweile ist das Frühstücksbuffet im Cafe eingedeckt, – frischer geht es nicht. Erwartungsfroh kommen die Gäste, die sich für diesen Morgen angemeldet hatten. Der Duft der frischen Brötchen, gemischt mit dem Kaffeearoma erfüllt den Raum im Elefanten-Café. – Kann ein Tag schöner beginnen?

1 Kommentar

  1. Guten Morgen,

    ich komme selbst aus der Lebensmittel Verarbeitung und halte diese Entwicklung, immer weniger Bäcker und Metzger für für FATAL.

    Es geht sehr viel grundlegendes wissen verloren. Ebenso die Geschmacksvielfalt.

    Was ab am schlimmsten ist: Die Ware aus den Großbäckereien. Auf Zeit getrimmt, Teig für Maschinen verarbeitbar gemacht, Zusatzstoffe Enzyme und Farbe.

    Der Zusammenhang zwischen dieser Art der Produktion und Allergien bzw. Unverträglichkeiten ist bereits erwiesen.

    JA, der höhere Preis ist nicht weg zu diskutieren.

    Jedoch, was ist uns unsere Gesundheit WERT???

    Schönen Sonntagmorgen beim Frühstücksbrötchen!

    Thomas Hesters

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