BM Anja Karliczek im Gespräch mit AllesDetten

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(Foto: privat)

Am vergangenen Freitag stand Anja Karliczek, Bundesminsterin für Bildung und Forschung, AllesDetten für einige Fragen zur Verfügung.

  • Schule ist eigentlich Ländersache, wird es trotzdem einheitliche Maßnahmen geben, ab wann wird Corona möglicherweise zur „Chefsache“ erklärt und würde dann dem Bundesministerium unterliegen?

Antwort Karliczek: Eine gute Bildung unserer Kinder ist entscheidend auch für eine gute Zukunft unseres Landes. Die Zuständigkeit für das Schulsystem liegt in unserer föderalen Ordnung aber bei den Bundesländern. Gleichwohl bekennen wir uns in der Bundesregierung zu unserer Verantwortung, die Länder nicht nur bei der grundsätzlichen Aufgabe der Digitalisierung der Schulen zu unterstützen, sondern auch darüber hinaus Maßnahmen zu ergreifen, bzw. uns an Maßnahmen zu beteiligen, die Schulen, Kindern und Lehrkräften zügig neue und zukunftweisende Formen des digitalen Lernens ermöglichen sollen.

Wir helfen mit dem DigitalPakt Schule den Ländern bzw. den Schulen in einem finanziell nie gekanntem Ausmaß. Insgesamt mit 6,5 Milliarden Euro! Das ist ein enormer Betrag. Wir beteiligen uns zum Bespiel mit 500 Mio Euro an der Ausbildung und der Finanzierung technischer Administratoren der Schulen. Eine halbe Milliarde fließt in die Anschaffung von Laptops für Schülerinnen und Schüler.

Sie sehen als Bund sind wir sehr aktiv, auch wenn die Umsetzung der Programme natürlich weiter bei den Ländern liegt. In diesem Jahr wollen wir der Digitalisierung der Schulen und der Bildung generell einen weiteren Schub geben. Es geht um den Aufbau von Kompetenzzentren für die Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer und um eine nationale Bildungsplattform, alles gemeinsam mit den Ländern.

  • Der Fortgang dieser Pandemie ist nicht verlässlich planbar, welche Szenarien werden derzeit durchgespielt, liegt für alles ein Plan B in der Schublade?

– Möglicherweise das Schuljahr zu wiederholen
– Schaffung gleicher Voraussetzungen für digitalen Fernunterricht
– Die Schulen sind nicht alle gleich ausgestattet, Lehrern fehlen häufig die notwendigen Kenntnisse  

(Foto: privat)

Antwort Karliczek: Auch durch das finanzielle Engagement des Bundes wird die weitere Digitalisierung der Schulen in den nächsten Jahren vorangehen. Da bin ich mir sicher. Wir werden auch in den nächsten Wochen Fortschritte machen, aber alles wird auch dann nicht funktionieren. Wie das weitere Schuljahr gestaltet wird, ist sicher noch offen. Es wird in alle Richtungen gedacht. Ein ganzes Schuljahr zu streichen, ist nicht sinnvoll. Es müssen aber auch vor allem an Konzepten gearbeitet werden, um den Schülerinnen und Schülern, die sehr viel Unterrichtsstoff verpasst haben, die Möglichkeit zu geben, Unterrichtsinhalte nachzuholen.

  • Wie soll die häusliche Situation in Einzelfällen aufgefangen werden, wenn die Kitas schließen, kein Präsenzunterricht stattfindet?

Antwort Karliczek: Den Schülerinnen und Schülern, den Kindergarten-Kindern und allen Eltern wird derzeit viel zugemutet. Das weiß ich. Und ich danke allen für ihren Einsatz. Natürlich auch den Lehrerinnen und Lehrern und den Erzieherinnen und Erziehern. Im ersten Lockdown wurden die Kitas geschlossen und nur Kinder, deren Eltern in sogenannten „systemrelevanten“ Berufen arbeiten, durften ihre Kinder in die Notbetreuung geben. Bei diesem Lockdown wurden die Kitas zum Beispiel bei uns im Kreis Steinfurt nicht geschlossen. Die Eltern werden gebeten, ihre Kinder –soweit möglich- zu Hause zu betreuen. Aber es gibt eben auch Umstände, in denen Eltern nicht ins Homeoffice wechseln können oder sich in der Kombination Homeoffice und der Unterstützung für den Distanzunterricht nicht in der Lage sehen, auch noch genügend Aufmerksamkeit für das Kita-Kind aufbringen zu können. Ich glaube, dass man in diesen Fällen auch flexibel sein muss.

  • Die derzeitigen Impfstoffe sind freigegeben, eine Langzeitwirkung und evtl. Folgeschäden konnten noch nicht erforscht werden. Ein gewisses Restrisiko besteht also. Inwieweit ist man darauf vorbereitet?

Antwort Karliczek: Es ist schon ein Riesenerfolg, dass in knapp einem Jahr ein Impfstoff entwickelt werden konnte. Obwohl die Zeit sehr drängte, war es uns aber sehr wichtig, dass der der Impfstoff nicht mit einer „Notfallzulassung“ auf den Markt gebracht wurde. Es wurden die üblichen hohen Qualitätsstandards eingehalten und die europäischen und deutschen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt. Natürlich kennen wir noch nicht alle Langzeitwirkungen, aber der Impfstoff wurde bestmöglich getestet.

  • Wie weit sind die Forschungen für ein wirksames Medikament? Wenn denn eins gefunden ist, wie lange wird ein Genehmigungsverfahren dauern?

Antwort Karliczek: Neben einem Impfstoff sind sichere und wirksame Medikamente gegen das Corona-Virus ebenfalls sehr wichtig. Es sind völlig neue Wirkstoffe entwickelt worden – auch zum Teil mit der Unterstützung meines Hauses. Diese Wirkstoffe müssen nun klinisch getestet werden, was wir wiederum mit mindestens 50 Millionen Euro unterstützen. Wir fördern die Entwicklung mit Hochdruck, aber auch hier geht Qualität vor Schnelligkeit.

  • Die Pflegekräfte arbeiten derzeit schon hart am Limit, ist angedacht, vorsorglich schon mal mehr Kapazitäten durch intensive Ausbildung aufzubauen?

Dass es in der Pflege mehr Personalbedarf gibt, wissen wir nicht erst seit gestern. Mit der „Konzertierten Aktion Pflege“ hat die Bundesregierung bereits im letzten Jahr deutlich gemacht, dass sie die Zahl der Auszubildenden und der Ausbildungseinrichtungen steigern will, den Beruf attraktiver gestalten will. Wir wollen auf allen Ebenen für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege sorgen.

  • Im Gegensatz zu anderen Nationen hat Deutschland die Lage noch im Griff, das kann sich aber schnell ändern. Wäre es nicht sinnvoller, um auch den letzten Querdenker mundtot zu machen, vermehrt mit Material aus den Katastrophengebieten dieser Welt darauf hinzuweisen: Das steht uns bevor, wenn Ihr Euch nicht an die Regeln haltet? Für viele ist Corona noch nicht „greifbar“, noch nicht real, weil weit weg. Auch wenn es in vielen Orten schon Sterbefälle gibt, passiert das immer „heimlich“. Der Zustand in Pflegeheimen wird nicht publik gemacht. Man will dadurch keine Panik auslösen, versäumt aber auch, den nötigen Respekt vor der Situation aufzubauen.

Antwort Karliczek: Ich glaube, dass den allermeisten Menschen schon klar ist, dass wir in einer sehr ernsten Situation leben. Allein, dass zu Weihnachten viele Menschen schweren Herzens auf Verwandtenbesuche verzichtet haben, sagt doch schon aus, wie vernünftig die Allermeisten sind. Natürlich gibt es auch immer einige, denen man mit logischen Argumenten nicht beikommen kann. Ich habe schon die abwegigsten Theorien gehört und frage mich auch, wie solche Theorien zustande kommen. Wir muten den Menschen derzeit viel zu. Aber wir müssen immer daran denken, wie viele Menschen sterben und schwer erkranken. Ein nicht unerheblicher Teil der Erkrankten kann sich nur schwer von der Infektion erholen und hat mit Langzeitfolgen zu kämpfen. Der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung benimmt sich aber sehr diszipliniert und darüber bin ich schon sehr froh.

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