
Vorgestern saß sie noch am runden Tisch im Kreishaus und stellte gemeinsam mit sieben weiteren Frauen aus der Lenkungsgruppe die Aktionswoche gegen Gewalt an Frauen und Mädchen vor, AllesDetten berichtete H I E R. Gestern saß sie auf der anderen Seite. Nicht bei den Organisatoren, sondern mittendrin, beim Treffen des internationalen Frauencafés in der AWO-Begegnungsstätte in Stroetmanns Fabrik.
AllesDetten hat das gestrige Treffen genutzt, um ihr ein wenig über die Schulter zu schauen und bei einer Stulle mit Kaffee nachgehakt, wie sich die ersten Monate auf dem neuen Posten in Emsdetten anfühlen und welche Pläne sie für die Zukunft hat.
AD: Seit dem Frühjahr sind Sie nun Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Emsdetten. Welche Erwartungen hatten Sie an den neuen Posten?
Heuer: Ja genau, ich bin nun seit April in Emsdetten, vorher war ich ebenfalls im Gleichstellungsbüro tätig, allerdings an einer Universität und das ohne direkten Kontakt zu Betroffenen. Daher ist es jetzt etwas Besonderes. Die Arbeit ist viel vielfältiger als gedacht. Definitiv mehr als in der Ausschreibung stand. Die ersten zwei Treffen für die Aktionswoche gegen Gewalt an Frauen (zum Programm) fanden beispielsweise zunächst nur digital statt, was den Beginn im neuen Job nicht einfacher gemacht hat. Der runde Tisch ist jedoch gut vernetzt, so dass wir da gut zusammenarbeiten können.
Allein das Phänomen „Gewalt“ zu verstehen ist nicht so leicht. Dass Frauen erst eine Anzeige erstatten, diese aber dann wieder zurückziehen – aus Angst vor dem Täter.
Wenn ich einen Arbeitsauftrag mitkriege, notiere ich mir das. Anfangs ist es schon vorgefallen, dass ich z.B. nach dem ersten Frauencafé im Deutschkurs nachfragen musste, wie die betreffenden Frauen heißen und wie ich sie kontaktieren kann. Denn die Gespräche sind alle anonym, ich schreibe zwar ein Protokoll für meine Unterlagen, aber vorrangig geht es darum zu vermitteln. Ich frage die Frauen immer, ob ich ihr Anliegen weitergeben darf, ob sie es selbst vortragen möchten oder ich sie begleiten soll.
AD: Was ist Ihnen besonders wichtig?
Heuer: Oft geht es darum zunächst Vertrauen aufzubauen. Bei dem Frauencafé zum Beispiel steht das Come together im Vordergrund. Wir wollen den Frauen Raum geben, damit sie sich neue Netzwerke aufzubauen können, die oft wegen einer Flucht weggebrochen sind. Viele freuen sich auch über ein Treffen, um die deutsche Sprache zu sprechen. Durch Corona war auch das schwierig.

Mir ist es wichtig Erstansprechpartnerin vor Ort zu sein. Mein Anliegen ist es, ein Gesicht von Emsdetten zu werden.
AD: Wie können Frauen Kontakt zu Ihnen aufnehmen?
Heuer: In der Tat geht das meist, auch wegen Corona nur mit Termin. Es gibt keine festen Sprechstunden. Ich habe festgestellt, dass es besser ist, wenn man es individuell regelt. Manchmal auch als Walk & Talk z.B. als Spaziergang auf dem Deitmarhof, da kommt man mit den Frauen viel besser ins Gespräch.

Bei einem persönlichen Termin können wir gemeinsam nach Ideen suchen und ich kann Lösungen vorschlagen oder zum nächsten Treffen etwas vorbereiten. Oft muss ich selbst erst recherchieren und schauen, wie ich helfen kann. Für die Frauen ist es aber meistens einfach schon gut zu wissen, dass sich jemand kümmert. Auch wenn man noch nicht die ultimative Lösung aus dem Hut zaubert. Es ist toll so ein Feedback zu bekommen, dann weiß ich, dass das Gespräch positiv war.

AD: Wie frei sind Sie in Ihrer Arbeit?
Heuer: Zum Glück ist bin ich nicht weisungsgebunden, das heißt ich kann mir die Zeit frei einteilen und so zum Beispiel auch an Abendveranstaltungen teilnehmen oder Frauen zu einem Termin begleiten, wenn es ihnen mehr Sicherheit gibt.
AD: Was motiviert Sie, können Sie von einer positiven Erfahrung erzählen?
Heuer: Einmal kam eine junge Frau zu mir und sagte, sie muss mal unbedingt raus, da ihr die Decke auf den Kopf fällt. Sie hat im Januar ihr Kind bekommen und wollte irgendwie Kontakt zu anderen jungen Müttern finden. Das hat mich besonders gefreut, dass ich ihr bei einem konkreten Problem helfen konnte. Nur zwei Türen weiter gibt es den Kreisel (In der AWO- Begegnungsstätte). Da konnte ich ihr einen Babyschwimmkurs empfehlen, wo sie die Möglichkeit hat junge Mütter kennenzulernen und auch mal rauszukommen.
AD: Bleiben die Probleme bei der Arbeit? Wie grenzen Sie sich ab?
Heuer: Als ich noch an der Uni Studierende mit pflegebedürftigen Kindern beraten habe, habe ich oft gedacht, ich schaffe es nicht mich abzugrenzen. Da waren zwei Fälle, an denen ich zu knabbern hatte, deshalb habe ich mir selbst Hilfe geholt. Der Austausch tat gut und mittlerweile ist daraus sogar eine Freundschaft, eine Art Supervision entstanden.

Deshalb mache ich auch jetzt eine interdisziplinäre Fortbildung (noch bis Januar), wo alle Akteure, z.B. aus der Täterberatung oder dem Kinderschutz zusammenkommen und eine Art Leitfaden lehren, was man in welchem Fall tun kann. Dadurch habe ich selbst an Sicherheit gewonnen und kann Hemmungen abbauen. Dass ich mir Hilfe geholt habe, will ich nicht missen, es ist so wertvoll. Und es kommen immer neue Situationen hinzu.
Selbst wenn es ein Problem gibt, das nicht in mein Ressort fällt, kann ich helfen und vermitteln. Als Erstansprechperson da zu sein, das ist mir wichtig.
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