„Echt jetzt?“ Hagen Rether war wirklich da.

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Ja, er war wirklich da. Manche hatten die Karten für seinen Auftritt in Stroetmanns Fabrik ja schon „vor dem Krieg gekauft“, wie er anmerkte. Und er hat auch in dieser Zeit weitergearbeitet, also sein Kopf, meinte er. Und vor dem Krieg war auch vor Corona und alle aktuellen Themen fanden sich in dem ausführlich langen Abend wieder. Über drei Stunden hat er geplaudert, und immer wieder den Kopf geschüttelt, wenn er eine der unzähligen Wahrheiten, mit denen wir kaum umgehen, die so verwunderlich sind – „Echt jetzt?“ – und doch so offensichtlich, aussprach:

„Da sprühen wir jahrzehntelang Insektengift auf die Felder und wundern uns, wenn die Insekten aussterben.“ So scheinbar einfach, naheliegend sind seine Bemerkungen, aber man ertappt sich dabei, dass sie an einem vorbeigegangen sind.

Und ihm fehlt der erhobene Zeigefinger und das ist im ersten Moment wohltuend, aber dann lächelt er und man fühlt sich durchschaut. Er hat ja immer recht mit dem, was er sagt, er ertappt und durchschaut – „Echt jetzt?“ – aber bietet keine wohlfeile Lösung, er beschreibt und das perfekt, denken und handeln müssen wir selber.

Manches verortet er an Personen, gerne an denen, die den Mund am meisten aufreißen, Lindner zum Beispiel. Er tauchte während des ganzen Abend immer mal wieder auf, einer über den Rether nur den Kopf schütteln kann, manches macht ihn dann sogar sprachlos.

Es ist wohltuend, Rether ist Kabarettist. Nicht einer der Comedians, die sonst Bühnen und Bildschirme füllen, denen es nur auf die Zahl der Lacher ankommt, egal worüber. Bei Rether lacht man über die Pointe, die Sprache, die Überraschung, ja den Inhalt. Und manchmal bleibt der Lacher auch im Hals stecken, weil man über seine eigene Schwäche, seine eigenen Fehler lacht, schon wieder: er hat uns ertappt. -“Echt jetzt?“

Noch was: Rether kann nicht nur Denken und das Gedachte in Worte fassen, auf den Punkt bringen, überraschend und doch naheliegend. Er kann auch Musik; zum Abschluss des Abends dreht er seinen Arbeitsstuhl – ja er sitzt den ganzen Abend auf einem Arbeitsstuhl, dreht sich damit, schiebt ihn rauf und runter, verändert die Armlehnen, da sieht man bei allem „Plaudern“ das ist Arbeit, so ein Abend – also er dreht diesen Stuhl zu dem Flügel und dann improvisiert er. Nix modisches, aktuelles, sondern einfach so, ähnlich wie er „plaudert“ Und das ist entspannend, beruhigt ein wenig nach dem so eigentlich anstrengenden -“Echt jetzt?“ – Abend, trotz der vielen Lacher.

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