Anette Dowideit, Sergei Panov und Lars Winkelsdorf haben in den vergangenen Monaten für CORRECTIV.org recherchiert: in offiziellen russischen Importdatenbanken und europäischen Ausfuhrstatistiken, bei einem Waffenhändler in Kasachstan und in den Untiefen sozialer Netzwerke. Gestern sind deren Ergebnisse erschienen, aus denen wir hier zitieren (Deutsche Waffen für Russland).
Was wir herausgefunden haben:
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kommen weiter scharfe Waffen und Munition westlicher Hersteller – auch deutscher – nach Russland: In offiziellen russischen Einfuhrstatistiken fanden wir Meldungen über rund 7.300 Schusswaffen und etwa acht Millionen Schuss Munition.
Die deutschen Gewehre, die in den Datenbanken auftauchen, sind offiziell Jagd- und Schusswaffen. Deshalb dürfen sie nach geltender Rechtslage in andere Länder exportiert werden – zwar nicht nach Russland, aber in andere Staaten. Offenbar gelangen sie über Drittstaaten nach Russland. Eine Lücke im Sanktionsrecht.
Was geschieht in Russland mit den Waffen?
Wir haben in sozialen Netzwerken wie Telegram und X (ehemals Twitter) Hinweise darauf gefunden, dass einige der westlichen Waffen an der Front in der Ukraine im Einsatz sind. Das legen Fotos und Videos nahe, die wir dort fanden. Auf den Bildern sieht man nach Angaben in den Posts russische Söldner in der Ukraine mit solchen Waffen. Andere der Waffen, etwa jene des deutschen Jagdgewehrherstellers Blaser, kann man offenbar in Russland einfach kaufen: beispielsweise bei einem Waffenhandelsportal, das als Ausrüster etwa für die Söldnertruppe Wagner gilt und sie als „Scharfschützengewehre” bewirbt. Ein großer russischer Waffenhändler stellte solche Blaser-Gewehre kürzlich sogar bei einer Waffenmesse in Moskau aus.
Was die Hersteller dazu sagen:
Die Firma Blaser aus dem Allgäu schrieb uns, sie könne sich nicht erklären, wie ihre Waffen nach Russland gelangt seien – und sei bereits mit den Aufsichtsbehörden in Kontakt, um dies aufzuklären. Die meisten anderen Firmen, die wir fragten (in den USA und mehreren europäischen Ländern), antworteten nicht auf unsere Fragen oder wollten aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben, wohin sie ihre Waffen und Munition zunächst verkauften. Unter den betroffenen Firmen sind etwa der Pistolenhersteller Glock aus Österreich und Smith & Wesson aus den USA – aber auch die ebenfalls deutsche Merkel Jagd- und Sportwaffen GmbH.
Besonders interessant ist aus unserer Sicht aber Blaser aus dem Allgäu: Die Firma gehört zur „L&O Holding” der Waffenunternehmer Michael Lüke und Thomas Ortmeier mit Sitz in Emsdetten – und eine andere Tochter dieser Holding, SIG Sauer, bekam es 2019 mit dem Gesetz zu tun, weil sie über den Umweg USA im großen Stil Pistolen ins sanktionierte Kolumbien schickte. Drei Geschäftsführer wurden deshalb vom Landgericht Kiel zu hohen Geldstrafen verurteilt.
Reagiert die Bundesregierung?
Wir haben das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefragt, wie und ob Deutschland diese Lücke in den Sanktionsgesetzen schließen will. Denn: Die USA beschlossen vor ein paar Tagen, die Exporte ziviler Schusswaffen an nicht-staatliche Käufer auszusetzen – damit so etwas nicht mehr möglich ist. Das Ministerium antwortete bislang nicht auf unsere Fragen. Auch Minister Robert Habeck (Grüne) reagierte bislang nicht.
„Wir haken weiter nach, bei verantwortlichen Politikern und Behörden. Wir finden: Trotz Nahostkrise und Migrationsdebatte dürfen Russlands Krieg in der Ukraine und die Rolle Deutschlands darin nicht aus dem Blick geraten.“, so Dowideit, Panov und Winkelsdorf abschließend.
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