Auch Hanna hat unseren Aufruf „Regenbogen gegen Corona“ gehört, – Hanna hat aber nicht gemalt sondern geschrieben:
„Warum?“, brüllt Tim. Er ist sauer. Nicht ein bisschen sauer, nein obersuperstinkwütend ist er. Er ist zu Hause mit Mama und Papa. Die gehen gerade nicht zur Arbeit und der Kindergarten hat auch schon seit vielen Tagen zu. Viel mehr Tage, als Tim zählen kann. Wegen Corona. Das ist so ein Virus, sagen Mama und Papa. Eine unsichtbare Krankheit, die von einem zum anderen Körper wandern kann, noch bevor man merkt, das man krank ist. Beim Husten und Niesen, beim Händeschütteln, beim Umarmen. Deshalb sind jetzt fast alle zu Hause. Und deshalb darf man sich auch nicht besuchen. Nicht die Kita Freunde und auch nicht Oma und Opa. Die besonders nicht. Weil ältere Menschen von Corona schlimm krank werden können. Das hat Tim in einem Video für Kinder gelernt. Und das versteht er ja auch. Er will ja nicht, dass seine Oma krank wird. Oder die von seinem besten Freund Nicolas. Oder Leas, Bens oder Vickys Oma. Überhaupt niemand soll krank werden. Und trotzdem findet Tim das alles ganz schön doof.
Und besonders blöd ist, dass Tim ausgerechnet jetzt Geburtstag hat. In drei Tagen. Er hat schon vor Wochen die Einladungen gebastelt und im Kindergarten an alle seine Freunde verteilt. Sie haben sich Spiele überlegt und er hat mit Mama schon ganz viele Augenklappen gebastelt. Es soll nämlich ein Piratengeburtstag werden. Mit Schatzsuche und allem drum und dran. Aber gerade hat Mama gesagt, dass seine Freunde nicht kommen dürfen. „Du weißt doch, dass wir uns im Moment wegen Corona nicht mit deinen Freunden treffen können. Wir holen es nach, wenn alles wieder normal ist“ antwortet Mama auf Tims Wutgeschrei. „Können wir dann wenigstens ins Schwimmbad gehen – ohne meine Freude?“ fragt Tim traurig. „Ach Schatz, das Schwimmbad ist doch geschlossen, wegen Corona.“ sagt Mama traurig. „Das ist so gemein. Ich hasse Corona, ich hasse Geburtstag, ihr seid alle so blöd!“ schreit Tim schon wieder, jetzt laufen heiße Tränen über sein Gesicht, Mama will ihn in den Arm nehmen aber er rennt schnell weg in sein Zimmer, knallt die Tür zu, springt in sein Bett und zieht die Decke über den Kopf. Er ist nicht mehr da, alle sollen ihn in Ruhe lassen. Tim weint und weint bis keine Tränen mehr kommen. Dann ganz allmählich beruhigt er sich. Es klopft an der Tür. Papa schaut herein. „Tim? Oma ist am Telefon.“ sagt er sanft. Er reicht Tim sein Handy und Tim sieht Omas Gesicht auf dem Display.
Seit sie sich nicht mehr besuchen können telefoniert Tim oft über Video auf Mamas oder Papas Handy mit Oma und Opa. Oma sieht natürlich mal wieder sofort, dass Tim geweint hat. „Hallo Oma“ schnieft Tim. „Tim, mein Schatz, was ist denn passiert?“ fragt Oma erschrocken. „Blödes Corona“ murmelt Tim. „Ich darf keinen Geburtstag feiern.“ Schon wieder werden Tims Augen feucht. „Ach mein armer Schatz“, sagt Oma. „Ja das sind schwere Zeiten für uns alle. Jeder muss jetzt an die anderen denken. Wir müssen uns so gut wie es geht gegenseitig schützen, weißt du“. Auch wenn das manchmal bedeutet, etwas zu tun, was für uns selbst nicht schön ist.“ „Du auch?“ fragt Tim. „Natürlich!“, sagt Oma. „Dein Opa und ich, wir würden zum Beispiel dich so gerne mal wieder besuchen kommen. Du bist doch unser größter Schatz und unseren Enkel so lange nicht zu sehen, das macht uns sehr traurig. Aber damit müssen wir leider warten.“
Jetzt geht es Tim schon ein bisschen besser. Er freut sich, dass Oma und Opa ihn so lieb haben. „Ich erzähl dir mal eine Geschichte.“ sagt Oma. „Als ich ein Kind war, fand ich es immer doof, dass ich meinen Geburtstag nie draußen feiern konnte, weil ich ja im Winter Geburtstag habe. Also habe ich in einem Jahr beschlossen, meinen Geburtstag in den Sommer zu verschieben. Ich wollte an meinem Geburtstag keine Geschenke, keinen Kuchen, keinen Besuch. Ich wollte bis zum Sommer warten. Und dann habe ich alle meine Freunde zu einer Gartenparty eingeladen. Ich habe den Garten dekoriert und Spiele vorbereitet. Es sollte ein richtig schöner Nachmittag werden. Und weißt du was da passiert ist?“ fragt Oma. „Nein“ sagt Tim. „Es begann zu regnen.“ erzählt Oma weiter. „Den ganzen morgen hat es geregnet und geregnet. Ich fand das so gemein. Am liebsten hätte ich gar nicht mehr gefeiert. Aber es war schon zu spät um alles abzusagen. Die Gäste kamen also und es hat immer noch geregnet. Aber weißt du, als so nach und nach meine Freunde kamen, die gute Laune hatten und den Regen gar nicht schlimm fanden, da habe ich ihn ganz vergessen. Wir haben drinnen gesessen und Kuchen gegessen, erzählt und gelacht. Und mit einem mal habe ich durch das Fenster einen Regenbogen gesehen. Es hatte nämlich in der Zwischenzeit aufgehört zu regnen und die Sonne schien schon ein bisschen durch die Wolken. Es wurde dann noch ein wunderschöner Tag. Und weil die Sonne später kräftig und warm war konnten wir barfuß auf der nassen Wiese allen möglichen Blödsinn anstellen. Wir sind durch den Matsch gerutscht und sahen hinterher aus wie kleine Schweinchen. Ach, ich glaube, das war der schönste Geburtstag in meinem Leben. Also, sei nicht traurig. Egal wie schlimm das alles gerade ist. Irgendwann kommt ein Regenbogen.“ Nach dem Telefonat mit Oma geht es Tim besser. Mit besserer Laune setzt er sich an den Abendbrottisch. Und als er abends in seinem Bett liegt weiß er schon, was er am nächsten kindergarteinfreien Tag machen will.
Am nächsten morgen steht Tim früh auf und holt seine Bastelsachen aus dem großen Schrank. Den ganzen Vormittag bastelt und malt er. Er macht nur eine kleine Pause zum Frühstücken. Dann endlich ist er fertig. Sein Regenbogen. Tim hat auf einem großen Blatt einen bunten Regenbogen gemalt und mit Papier in allen Farben beklebt. Mama und Papa staunen. Gemeinsam kleben sie den schönen Regenbogen an das große Fenster im Wohnzimmer, das zur Straße hin zeigt. Dabei sieht Tim Paul von gegenüber, der auch am Fenster steht und nach draußen schaut. Tim winkt Paul zu. Paul zeigt auf Tims Regenbogen und zeigt ihm einen Daumen nach oben. Dann verschwindet er plötzlich aus dem Fensterrahmen. Tim schaut noch eine Weile nach draußen und denkt an Omas Geschichte von gestern. Er freut sich jetzt doch wieder auf seinen Geburtstag, auch wenn er ihn nur ein bisschen mit Mama und Papa allein zu Hause feiern kann. Als Tim gerade in sein Zimmer gehen will, taucht plötzlich Paul wieder im Fenster gegenüber auf. Und Tim traut seinen Augen kaum, als er zusieht, wie Paul auch einen Regenbogen an sein Fenster klebt. Den ganzen Tag ist Tim fröhlich. Mama und Papa wundern sich, doch sie sind froh, dass es ihm wieder so gut geht. Am Abend bevor er schlafen geht, schaut Tim noch ein mal aus dem Fenster zum Haus gegenüber. Wie schön, dass Paul auch einen Regenbogen aufgehängt hat. Und ist das da oben, am Fenster schräg oben drüber von Pauls großer Schwester nicht auch ein Regenbogen?
Tatsächlich! Als Tim am nächsten Tag mit Mama spazieren geht erkennt er es ganz deutlich. Es hängt noch ein Regenbogen im Haus gegenüber. Aber nicht nur dort. Auch nebenan und in vielen Häusern der Straße findet Tim Bilder von Kindern mit Regenbogen in den Fenstern! Tim ist glücklich! So viele Kinder wohnen also hier, von denen er gar nicht gewusst hat. Und alle finden seine Idee mit dem Regenbogen toll. Das muss er gleich zu Hause Oma am Telefon erzählen. Aber erst will Tim noch etwas anderes wissen. „Du Mama, können wir zu Hause zusammen einen Kuchen für meinen Geburtstag morgen backen?“ „Aber natürlich!“ freut sich Mama. „Schokokuchen mit Apfelstückchen?“ fragt Mama. Denn sie weiß genau, dass das sein Lieblingskuchen ist.
Der nächste Tag! Tims Geburtstag. Er beginnt mit grauen Regenwolken, aber das macht Tim jetzt auch nichts mehr aus. Ist eh schon alles anders, ob es nun regnet oder die Sonne scheint. Darauf kommt es nicht an. Hauptsache so viele Menschen wie möglich bleiben gesund. Mama und Papa kommen an sein Bett und singen „Heute kann es regnen, stürmen oder schneien“. Tim lacht. Das passt ja gut. Es gibt Pfannkuchen und Geschenke und sie spielen zusammen Memory. Es ist ein schöner Geburtstagsmorgen und Tim freut sich schon auf den Rest des Tages. Wie schön, dass Mama und Papa im Moment nicht arbeiten gehen und sie so viel Zeit zusammen haben.
Da passiert plötzlich etwas unerwartetes. Papa springt auf ein mal auf und sagt mitten im Spiel „Seid mal leise!“. Tim will schon sagen, dass Papa ein Spielverderber ist, da sieht er, wie Papa zum Radio geht und es lauter dreht. „… daher sind mit sofortiger Wirkung alle Kontaktverbote aufgehoben.“, rauscht die Stimme des Radiosprechers. „Ab Montag sind Schulen, Kitas und alle öffentlichen Einrichtungen wieder geöffnet.“ heißt es weiter. Doch das hört Tim kaum mehr. Er springt auf und rennt auf die Straße. Mama und Papa hinterher. Die Corona-Zeit ist also endlich vorbei. Draußen treffen sie einige Nachbarn, die anstoßen. Auch Paul und seine Schwester. Tim lädt sie sofort für mittags zum Kuchen essen ein. Auch die Kinder aus dem Nachbarhaus. Und aus allen anderen Regenbogen-Häusern in seiner Straße. Diesen Geburtstag wird Tim nie wieder vergessen. Und als Tim mit allen seinen neuen Freunden dicht gedrängt um den Küchentisch sitzt und Kuchen isst, da hört es auf zu regnen. Ein erster, scheuer Sonnenstrahl drängt durch die Wolkendecke und vom Himmel lacht in allen erdenklichen Farben ein wunderschöner Regenbogen. (Hanna Breitkopf)
Das ist ja eine wunderschöne Geschichte. Realistisch und hoffnungsvoll.
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