AllesDetten zu Gast bei… Judith Wiemer

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Lesezeit 3-4 Minuten Judith Wiemer aus Reckenfeld zog es für ein Jahr in die Vereinigten Staaten von Amerika, genauer gesagt nach Morris Plains/New Jersey, einem Ort, noch kleiner als ihr heimisches Reckenfeld, ca. eine Autostunde von New York entfernt.

Judith ist staatlich anerkannte Logopädin, hat nach ihrem Abitur erst verschiedene Wege eingeschlagen, zunächst ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) mit Schwerpunkt mobile Jugendarbeit, dann Studium auf Lehramt für Englisch, Spanisch und Sport, Ausbildung zur Speditionskauffrau. Mehr und mehr stellte sie fest, dass eine soziale Tätigkeit im therapeutischen Bereich ihre Berufung ist. Die Entscheidung, für ein Jahr nach Amerika zu gehen, da während dieser Zeit in einer fremden Familie zu leben und für die Tochter des Hauses alleinverantwortlich als Logopädin zuständig zu sein, war schon ein längerwieriger Prozess. Das private Umfeld, die Aussicht auf eine außergewöhnliche praktische Erfahrung in ihrem Beruf, die Möglichkeit, tatsächlich so auch ihren Horizont zu erweitern, einen anderen Blickwinkel zu bekommen, all das gab ihr die Gewissheit, dass die heute 28-jährige im Dezember 2018 mit nur einem Koffer den Flug in die Staaten angetreten hat.

Von der Agentur, die ihren Einsatz vermittelt hat und die sie während der Zeit betreut hat, ist sie mittlerweile nicht mehr so überzeugt, würde mit denen ein solches Projekt kein zweites Mal durchführen.

Neena, die 14-jährige Patientin, leidet unter dem Smith-Lemil-Opitz(SLO-)-Syndrom. Dieses Krankheitsbild tritt nur auf, wenn tatsächlich beide Elternteile einen gleichen Gendefekt in sich tragen. Die Chance eines solchen Aufeinandertreffens ist naturgemäß sehr gering, und selbst bei einer solchen Konstellation muss die Krankheit nicht zwingend ausbrechen, ihr Bruder ist nicht betroffen. Neena ist körperlich und dadurch, dass durch das körperliche Handicap die Entwicklung eingeschränkt ist, auch mental etwas zurückgeblieben. Das junge Mädchen wird durch eine Magensonde ernährt, hat bereits im frühen Kindesalter die Gebärdensprache erlernt, weil das lange Zeit der einzige Weg war, sich mitzuteilen. Die Magensonde ist erforderlich, weil der Ablauf des Schluckaktes stark eingeschränkt ist.

Zusammen mit Neena, dem neunjährigen Bruder Kai sowie der Mutter Cristina lebte Judith in einem Haushalt, hatte einen eigenen Wohnbereich für sich und auch feste Arbeitszeiten. „Anfangs war es schon schwierig“ denkt sie an die ersten Wochen zurück, in denen sie schnell lernen musste, dass deutsche Pünktlichkeit nicht wirklich mit dem american way of life vereinbar ist. Sie begrüßte aber, dass die Mutter Cristina ihr in praktisch allen Belangen freie Hand ließ. Die Bewältigung des Alltags mit Neena und ihr unterschwellig Dinge beizubringen, sie an Sprache heranzuführen und auch den „normalen“ Weg der Nahrungsaufnahme zu trainieren, war primäre Aufgabe von Judith Wiemer. Ziel ist es auf lange Sicht, dass Neena ohne PEG(Magensonde) auskommt, ihr so mehr Lebensqualität bleibt. Judith Wiemer hat in dem Jahr ihrer dortigen Tätigkeit intensiv an der Stärkung der für die orale Nahrungsaufnahme betroffenen Muskulatur gearbeitet. Die professionelle Fortführung der jetzt eingeschlagenen Therapie ist gewährleistet.

Für Judith hatte die Zeit in Amerika schon einige prägende Momente, während des Gesprächs mit AllesDetten berichtet sie immer wieder von Situationen, die wohl stetig in ihren Erinnerungen verbleiben. „Ich hab in der Zeit zu mir selber gefunden“ ist neben der beruflichen Erfahrung und der Gewissheit, der kleinen Neena ein Stück weit in Richtung normales Leben verholfen zu haben, die wichtigste Erkenntnis, die sie aus dem großen Amerika mitbringt.

War das Kuscheln mit Neena und die damit verbundene non-verbale Mitteilung „Ich hab dich lieb“ ein wichtiger Teil der Therapie, kann sie jetzt endlich wieder ihre Lieben daheim in den Arm nehmen, denn darauf musste Judith trotz der regelmäßigen Kontakte über die sozialen Netzwerke lange Zeit verzichten.

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